Fragen zu Jesus

Eigentlich ist es der 25. Dezember, an dem – seit dem 4. Jahrhundert – die Geburt Jesu gefeiert wird. Der 24.12. ist der „heilige Abend“. Nach alter (jüdischer) Tradition beginnt ein Tag mit dem Sonnenuntergang. Der 25.12. ist also der (1.) Weihnachtstag. Jedenfalls in den sog. Westkirchen. In den meisten orthodoxen Kirchen wurde der (ursprüngliche) Termin am 6. Januar beibehalten. Tatsächlich weiß kein Mensch, an welchem Tag Jesus geboren wurde, nicht einmal sein genaues Geburtsjahr kennt man. Es war im Altertum auch gar nicht üblich, den Geburtstag festzuhalten. Die ersten Christen-Generationen kümmerten sich zunächst um die Frage, als welchem Tag sie die Auferstehung Jesu feiern konnten. Erst sehr viel später übertrugen Christen ihre Glaubensinhalte auf bestehende, nicht-christliche Feiern. So wurde im Römischen Reich (v.a. im östlichen Bereich) in der Nacht vom 5. auf den 6. Januar ein Fest gefeiert, das die Geburt des Weltheilands Aion durch die Jungfrau Kore vergegenwärtigte. Im Westen des Römischen Reiches wurde dagegen – nach einer gängigen Theorie – in den Tagen nach der Wintersonnwende (21./22.12.) ein Jupiter-Fest gefeiert, das am dritten Tag, dem 25.12., als Geburtsfeier der „unbesiegbaren Sonne“ seinen Höhepunkt fand. Da für Christen die „unbesiegbare Sonne“ Jesus Christus war/ist, lag es nahe, diesen Tag mit einem neuen Inhalt zu belegen. Insgesamt sollte man sich hinsichtlich des Weihnachtsfestes und der damit zusammenhängenden Bräuche und Erzählungen (auch den biblischen!) davon befreien, sie historisch zu bewerten. Sie sind in erster Linie verdichtete Glaubensaussagen und Formen des „Erinnerns“ (im Sinne von „sich zu Herzen nehmen“) an das Wirken Gottes und die Bedeutung von Jesus Christus. Und das ist ihr tatsächlicher Wert für uns heute.

Im Neuen Testament ist nur an einer Stelle (Matthäus 1,23) die Rede davon, dass „eine Jungfrau schwanger wird“. Das ist ein Zitat aus dem Alten Testament (Jesaja 7,14). Wörtlich übersetzt müsste es da heißen: „Eine junge Frau wird schwanger …“ Aber schon die (jüdische) Übertragung des Alten Testaments ins Griechische verwendet hier ein Wort, das neben „junge Frau“ oder „Mädchen“ auch „Jungfrau“ bedeuten kann. Für die „alten Griechen“ war das überhaupt nicht unbekannt: Z. B. schwängert der Göttervater Zeus die Jungfrau Danae, die daraufhin den „göttlichen“ Perseus zur Welt bringt.

Das muss man nicht biologisch verstehen! Im Altertum wurde angenommen, dass ein Kind seine Eigenschaften nur vom Vater bekam. Im Fall von Jesus sollte ausgedrückt werden: Er ist voll und ganz ein Sohn Gottes.
Außerdem wird mit der „Jungfrauengeburt“ ausgesagt: Mit Jesus beginnt die Schöpfung von neuem. Denn da er keinen irdischen Vater hat, ist bei ihm die sündige Verflechtung mit den bösen Taten der Väter (Stichwort „Erbsünde“) nicht wirksam. Jesus führt sozusagen direkt ins Paradies: „Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis; der Cherub steht nicht mehr dafür, Gott sei Lob, Ehr und Preis.“ (Lobt Gott, ihr Christen alle gleich“, 6. Strophe)

Darauf antwortet das Glaubensbekenntnis sehr knapp: „gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben.“ Was dann als aktive Handlung dargestellt wird, ist eigentlich auch ein passives Geschehen: „auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes“. Zur Auferstehung gibt es bereits eine Antwort auf eine entsprechende Frage. Wenn es heißt, dass Jesus in den Himmel aufgenommen wurde, bedeutet das: Jesus regiert die Welt – als Stellvertreter (als „rechte Hand“) Gottes. Aber es ist eben der „auferweckte Leib“ von Jesus, nicht sein wiederbelebter Körper, der herrscht; das, wofür Jesus Christus sein ganzes Leben eingesetzt hat: Liebe und Anerkennung.

„Auferstehung“ ist auch so ein missverstandener Begriff, weil er meistens nicht aus dem ursprünglichen Kontext heraus verstanden wird. Ursprünglich meinte er, dass jemand (vor Gott) nachträglich „Recht bekommt“, obwohl er nach weltlichen Maßstäben gescheitert und gestorben ist. Insofern glaube ich tatsächlich, dass Jesus wirklich (!) auferstanden ist. Ausführlich habe ich mein Verständnis von Auferstehung hier dargestellt.

Ich glaube, dass der Gott, an den Jesus geglaubt hat, ihm auch im Sterben geholfen hat. Wir wünschen uns manchmal einen Gott, der ganz öffentlich – wie Superman – in einer schlimmen Situation eingreift. Ich glaube, dass Gott ganz anders ist.

Etwas flapsig gesagt: So viel wie die Geburt Christi mit dem (Coca-Cola-)Weihnachtsmann! Nämlich sehr wenig. Die ersten Christengenerationen haben das Fest der Auferstehung Jesu auf den Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond terminiert. Damit fällt es in eine Zeit, in der schon vorchristlich Frühlingsfeste gefeiert wurden. Nach einer alten Überlieferung hatte die Frühlingsgöttin der alten Germanen den (Bei-)Namen Ostara. Es heißt, sie wäre zusammen mit einem Hasen dargestellt worden. Im Frühling versuchten die Feldhasen (als es sie noch gab), durch wilde Sprünge und „Tänze“ die Häsinnen auf sich aufmerksam zu machen. Damit verscheuchten sie die Bodenbrüter in diesem Gebiet. Zurück blieben unausgebrütete Eier. (Damit wäre auch gleich der eierbringende Osterhase erklärt. 🙂 ) Wie das Ei ist auch der Hase ein Symbol für Fruchtbarkeit. Von hier ließe sich eine Brücke zur Auferstehung bilden: Neues Leben entsteht.

Angenommen, kein Mensch würde mehr an Jesus Christus glauben, d.h. in ihm Halt und Orientierung finden: Vielleicht würde „Jesus Christus“ als eine Art Name „überleben“. So, wie z.B. Huitzilopochtli. So wie Historiker nachweisen können, dass dieser der Hauptgott der Azteken war, könnten andere darauf hinweisen, dass Jesus Christus eine sehr große Rolle in einer Religion namens Christentum gespielt hat. Ich denke schon, dass Jesus Christus nur dann „überlebt“, wenn Menschen „in seinem Namen versammelt sind“ und ihr Leben daran ausrichten, dass Gott in der Liebe und Anerkennung gegenwärtig ist – auch denen gegenüber, die man gerade nicht leiden kann.

Ich bin davon überzeugt, dass ein „verschwommenes Bild von Jesus“ nur „in ruhigen Gewässern“ trägt. Sobald ich starken Gegenwind verspüre, werden Zweifel aufkommen, sodass ich (wie Petrus in Mt 14,30) im Meer der Zweifel versinke. Ein verschwommenes Bild von Jesus ist wohl das, was Jesus (in dieser Szene) mit „Kleinglauben“ bezeichnet. Ein „großer“, d.h. fester Glaube braucht eine sehr genaue Vorstellung von dem, was „Jesus für mich“ ist. Aber dieses Bild muss nicht so aussehen, wie die Fotografien von Bundespräsidenten, die – als oberste Autoritäten – in unseren Amtszimmern hängen und alle gleich aussehen (beinahe unabhängig davon, wer da abgebildet ist). Mein Bild von Jesus gleicht eher einem impressionistischen Gemälde, während das Bild von jemand anderem vielleicht eher den Stil der Nazarener hat. Ich gehe davon aus, dass weder das eine noch das andere Bild den „historischen Jesus“ porträtiert. Mein Bild von Jesus ist auch nicht starr. Es verändert sich mit all den Impulsen, die ich im Laufe meines Lebens in dieser Hinsicht bekommen habe. Sie haben es immer ein wenig tragfähiger für mich gemacht.

Hinter dieser Frage vermute ich den alten Streit um Verstand und Glauben. Ich persönlich möchte meinen Verstand nicht „opfern“, sondern verständig glauben. Irgendwann habe ich gelernt, dass „glauben“ im AT so viel bedeutet wie: „sich in etwas festmachen“. Das Bild, das mir dazu einfällt ist das eines Bergsteigers/einer Bergsteigerin, die an einer steilen Felsenwand hängt. Die Sicherung, an der sie – und damit ihr ganzes Leben – hängt, ist eine Halterung im Gestein. Ich gehe davon aus, dass die Bergsteigerin ganz genau geprüft hat, ob diese Sicherung das Gewicht ihres Körpers hält. Und ich nehme weiter an, dass sie in ihrer Einschätzung durch ihre Erfahrung – und daraus folgend: durch ihre Intuition – unterstützt wird. Was die Auferstehung Jesu angeht, muss ich wahrscheinlich zumindest intuitiv wissen, dass Jesus „nicht im Tod geblieben ist“, sondern auch jenseits seines Todes eine zentrale Bedeutung für mich hat – und für andere haben kann.

Fragen zu Gott

Martin Luther hat in seinem Großen Katechismus eine Definition gewagt: „Ein Gott ist das, wovon man alles Gute erwartet und Zuflucht hat in allen Nöten. … Allein das Vertrauen und Glauben machen sowohl einen Gott als auch einen Abgott. Ist der Glaube und das Vertrauen richtig, dann ist auch dein Gott richtig, und umgekehrt: Wo das Vertrauen falsch und unrecht ist, das ist auch der rechte Gott nicht. Denn die beiden gehören zusammen, Glaube und Gott. Woran du also dein Herz hängst und worauf du dich verlässt, das ist eigentlich dein Gott.“ (Auslegung des 1. Gebots) An einer anderen Stelle schreibt Luther, dass jeder Mensch ein „Gottmacher“ ist. 
In ähnlicher Weise sprechen die modernen Hirnforscher davon, dass „innere Bilder“ unser Denken, Fühlen und Handeln lenken (G. Hüther, Die Macht der inneren Bilder. Wie Visionen das Gehirn, die Menschen und die Welt verändern; G. Roth, Fühlen, Denken, Handeln. Wie das Gehirn unser Verhalten steuert). Diese „inneren Bilder“ entstehen im sog. Stirnhirn auf Grund der Erfahrungen, die ein Mensch macht, u.a. auch mit Hilfe von religiösen „Großerzählungen“.

Sowohl mit M. Luther als auch mit der Hirnforschung kann man also sagen, dass (wahrscheinlich) jeder Menschen „an einen Gott glaubt“, weil jeder Mensch etwas hat, das ihm Halt und Orientierung gibt. Die Frage ist nur, was das für ein „Gott“ ist.

Für Martin Luther ist der „richtige Gott“ der Gott Jesu Christi. Und den identifiziert der 1. Johannesbrief mit der Liebe (1. Joh 4,16). Wenn du dein Verhalten nicht von Liebe (d.h. Anerkennung und Achtung des Anderen) bestimmen lässt, wirst du vielleicht dich selbst, deinen Erfolg oder Misserfolg usw. in den Mittelpunkt deiner Gefühle, deines Denkens und deines Handelns stellen. Ob das gut geht?

Die Wissenschaftler sagen, dass die Menschen mit den Menschenaffen gemeinsame Vorfahren haben. Die Glaubensaussage, dass die Menschen (wie auch alle anderen Lebewesen) „von Gott gemacht“ sind, soll ausdrücken: Man soll nicht lieblos mit ihnen umgehen.

Ja. Für Christen jedenfalls in Jesus von Nazareth. Im 1. Johannesbrief wird Gott mit Liebe gleichgesetzt. Liebe ist dabei mehr als Verliebtsein oder ein „rosarotes Gefühl“. Liebe bedeutet hier eher so viel wie Anerkennung – oder mit einem alten Wort: „Barmherzigkeit“. Jesus Christus hat die Menschen anerkannt. Nach dem biblischen Zeugnis war der „die Barmherzigkeit in Person“: Er hat in den Menschen mehr gesehen als z. B. ihren gesellschaftlichen Stand, ihr finanzielles oder geistiges Vermögen, ihre körperlichen Merkmale oder ihre tatsächlichen Leistungen. Jesus Christus hat die „himmlischen“ Möglichkeiten gesehen und damit die „irdische“ Wirklichkeit verändert. Deshalb hat er Menschen geheilt, ihnen ihre Schuld vergeben und sie satt gemacht. So gesehen, kann Gott immer wieder Mensch werden, z. B. wenn sie „Hungernde speisen, Dürstenden zu trinken geben, Nackte bekleiden, Fremde aufnehmen, Kranke und Gefange besuchen, Tote bestatten“ (Sieben Werke der Barmherzigkeit). Wenn jemand barmherzig mit der Schöpfung Gottes umgeht, dann wird Gott Mensch.

Fragen zur Bibel

Es waren deutlich mehr als 12 Jüngerinnen und Jünger, die Jesus als Lehrer folgten. „Die Zwölf“ sind auch von den Aposteln zu unterscheiden. „Die Zwölf“, das ist eine „Hoffnungsgestalt“: Sie steht für das geheilte, versöhnte und wieder geeinte Volk Gottes, das der Messias wiederherstellen wird. Die 12 (unterschiedlich benannten!) Apostel kann man als Repräsentanten der „Zwölf“ ansehen. Aber die „Hoffnungsgestalt“ ist mehr als einzelne, konkrete Personen (s. Luzia Sutter Rehman, Wut im Bauch. Hunger im Neuen Testament, Gütersloh 2/2016, 377-391).

Ob etwas „stimmt“, hängt immer mit dem/der zusammen, der/die etwas betrachtet: Gibt es eine Resonanz zwischen mir und dem, was in der Bibel steht? Die Wahrheit biblischer Geschichten liegt auf einer anderen Ebene als das, was Naturwissenschaften als „Gesetz“ erkennen. Hier geht es eher um grundlegende Lebenseinstellungen. Die muss man aber auch nicht alle teilen.

Die Bibel ist eine Sammlung von Schriften aus einer anderen Zeit und einer anderen Umgebung. Deshalb ist es durchaus sinnvoll, vorher eine „Einführung“ zu lesen. Die „BasisBibel“ bietet z.B. vor den meisten biblischen Schriften ein „INTRO“ an, gekennzeichnet mit einem „i“ in einem schwarzen Kreis vor den einzelnen Kapiteln. Im Text selbst findest du nach sehr vielen Wörtern ebenfalls ein weißes „i“ in einem dunklen Quadrat. Dahinter verbergen sich interessante Erklärungen, die die Begriffe im Kontext der „Zeichensprache des Glaubens“ darstellen. So erfährst du z.B., dass „Christus“ „der Gesalbte“ bedeutet, dass im Alten Testament die Könige gesalbt wurden und viele Menschen später den „Gesalbten“ als Retter erwartet haben.

Aber kein Sachbuch kann das eigenständige Lesen in der Bibel ersetzen. Denn du liest die biblischen Geschichten ja mit deinen Erfahrungen. Du entdeckst beim Lesen Dinge, über die andere vielleicht einfach hinweglesen. Zum Beispiel: Als Jugendlicher habe ich mich für meine Herkunft geschämt. Aus irgendwelchen Gründen habe ich begonnen, in der Bibel zu lesen. Dabei habe ich entdeckt, dass es in der ganzen Bibel viele Texte gibt, die die Mächtigen kritisieren und die sog. einfachen Leute in ein gutes Licht stellen. Das hat meinem Selbstbewusstsein sehr gut getan.